Frühlingsbedingungen: Tageszeitlicher Anstieg der Lawinengefahr und vermehrt Nassschneeaktivität

Die ausgeprägte Hochwetterlage in dieser Woche hat für frühlingshaftes Wetter gesorgt und die Durchfeuchtung der Schneedecke vorangetrieben. Tiefe und mittlere Lagen sind besonders südseitig bereits ausgeapert und im Tagesverlauf wird die Schneedecke bis in hohe Lagen weich und feucht. Es sind zahlreiche nasse Lockerschnee- und spontane Gleitschneelawinen abgegangen.

In den letzten Tagen wurden zahlreiche Gleitschneelawinen und Schneemäuler gesichtet... Links in Oppenberg vom Hochgrößen und rechts auf der Planneralm vom Gstemmer. (Quelle: Tadler R. und LWD Stmk)
.. aber auch nasse Schneebretter und Lockerschneelawinen waren keine Seltenheit. Schneebrett aus einem Osthang in Richtung Goldbachalm und Lockerschneelawine von der Schoberspitze. (Quelle: LWD Stmk)

Die Lawinengefahr unterliegt einem klassischen Tagesgang: In der Früh können die Touren noch bei günstigen Bedingungen und verharschter Schneeoberfläche gestartet werden, für die Abfahrt sind die besonnten Hänge bereits aufgefirnt, bzw. werden bis Mittag weich und verlieren an Stabilität. Gleitschneelawinen sind zu jeder Tageszeit möglich, aber die Nassschneelawinen nehmen im Tagesverlauf zu. Selbst bei einem nordseitigen Schneeprofil wurden vereiste, vertikale Schmelzwasserkanäle in der Schneedecke gefunden, die auf den vermehrten Wassereintrag in der Schneedecke deuten. Daher gilt es die Skitouren früh zu beginnen und rechtzeitig zu beenden!

In steilen Nordhängen existieren zwischen harten Schmelzkrusten auch mögliche Schwachschichten mit groß aufgebauten, kantigen Kristallen. Das Altschneeproblem soll in schattigen, sehr steilen Rinnen nicht unterschätzt werden!

Der LWD hat Schmelzwasserkanäle und große, kantige Kristalle in einem nordexponierten Schneeprofil gefunden. (Quelle: LWD Stmk)

Die frühlingshaften Wetterbedingungen ändern sich voraussichtlich erst zum kommenden Wochenende hin. Dann wird ein Tiefdruckgebiet über Nordeuropa mit etwas Niederschlag und kälteren Luftmassen in Österreich wetterbestimmend. 

Die vorläufige Wetterprognose zeigt für nächsten Samstag ein Tiefdruckgebiet über Österreich, welches kältere Luftmassen mit sich bringt. (Quelle: ZAMG)

Tragisches Lawinenunglück am benachbarten Ötscher fordert 3 Menschenleben!

Am Freitag, dem 11.03.2022 ereignete sich – unweit der steirischen Grenzen – am Ötscher (Ybbstaler Alpen) ein besonders tragischer Lawinenunfall. Eine Gruppe bestehend aus vier überaus erfahrenen und ortskundigen Alpinisten stieg in den späteren Vormittagsstunden mit angelegten Steigeisen die Juckfidelplan empor, als sich eine Schneebrettlawine löste und alle mitriss. Drei der Bergsteiger wurden zur Gänze verschüttet und konnten nur noch tot geborgen werden. Ein weiteres, teilverschüttetes Gruppenmitglied wurde mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus geflogen. Nähere Details zum Unfall und zur heutigen Erhebung finden sich auf der Seite des Niederösterreichischen Lawinenwarndienstes (LINK).

Lawinenunfall in der Juckfidelplan am Ötscher in den benachbarten Ybbstaler Alpen. (Fotos: LWD NÖ)

Weiterhin recht günstige Bedingungen

Bereits seit einigen Tagen ist die Lawinensituation recht entspannt. Die letzten Schneefälle liegen schon länger zurück (26.02.). Es ist kalt geworden und auch der Wind wurde laufend schwächer. Allerdings war das Wetter meist recht durchwachsen mit vielen, oft tiefliegenden Wolken. Nur ganz in der nordwestlichen Obersteiermark scheinte öfters die Sonne.

Das Altschneefundament ist kompakt, sonnseitig weist der darauf liegende Schnee von vor einer Woche meist noch Bruchharschbedingungen auf. Schattseitig liegt hingegen nach wie vor kalter Pulverschnee auf der verhaschten Altschneedecke. Vereinzelte Gefahrenstellen liegen in schattseitigen Hochlagen als Altschneeprobleme vor. Hier können tieferliegende Schwachschichten, meist in Form von kantig aufgebauten Kristallformen unter harschigen Einlagen nach wie vor nicht ganz ausgeschlossen werden.

In den kommenden Tagen beschert uns ein Omega-Hoch nicht nur stabile Wetterbedingungen, sondern wirkt sich auch positiv auf die Schneedecke aus. Sonnseitig sollte sich daher der Bruchharsch einstrahlungsbedingt langsam zu Firnschnee umwandeln. Nachdem die Temperaturen eher auf der kühleren Seite bleiben, sollte auch der schattseitig gelegene Pulverschnee noch länger erhalten.

Leider bleiben wir voraussichtlich eher am Ostrand des Omega-Hochs, sodass mäßig starker Nordwind wehen wird, vor allem im Bereich der östlichen Nordalpen. Damit könnten sich wieder Triebschneeprobleme einstellen. Die Frage wird daher sein, ob sich potentielle Schwachschichten bilden werden (insbesondere Oberflächenreif) und wie rasch die sonnseitige Setzung eintritt.

Höhendruckkarte für die nächsten Tage.

Stürmische Westströmung

Der Ostalpenraum befindet sich nun schon seit längerer Zeit in einer milden, äußerst stürmischen, westlichen Höhenströmung. Eingelagerte Frontensysteme führten alpennordseitig immer wieder zu Niederschlägen, die nicht allzu ergiebig waren und um Wochenmitte zwischendurch auch bis in höhere Lagen in Form von Regen fielen. Im Vordergrund steht nach wie vor der stürmische Wind, der an den meisten Wetterstationen des Lawinenwarndienstes mit Windspitzen jenseits der 100 km/h gemessen wurde. An der Station Ötscher wurden am 17.02. sogar 170 km/h registriert. Windexponierte Hangzonen wurden dabei oft vollkommen abgeweht.

Permanent stürmische Witterungsverhältnisse in den Nordalpen. Quelle: LAWIS
Typische Schneeverteilung am Hinkareck mit abgeblasenem Rücken aufgrund des andauernd stürmischen Westwindes. Foto: A.Pilz

 

Am 17. und 18.02. wurde es in allen Höhenlagen ungewöhnlich warm, im Gebirge setzte damit nicht nur die Nassschneelawinenaktivität ein, auch die Gleitschneelawinen wurden in Gang gesetzt.

 

Verbreitet Gleitschneeabgänge an der Südseite des Zeiritzkampels. Foto: A.Pilz
Gleitschneelawinen am Kraglschinken. Foto: A.Pilz

Mit der Abkühlung ab 19.02. hat die Schneedecke wieder an Festigkeit gewonnen, die Oberflächen sind verharscht und oft mit einer dünnen, meist lockeren Triebschneeauflage versehen.  Für mächtigere Triebschneeansammlungen war der vergangene Neuschnee oft zu feucht oder der Wind einfach zu stark. In windgeschützteren Hangbereichen tieferer Höhenlagen findet sich Triebpulver, der allerdings zunehmend schwerer wird.

"Grausliches" Wetter am 20.02. auch in den Tauern: Blick Richtung Rote Rinne. Foto: A.Podesser

In den kommenden Tagen ist zumindest an der Alpennordseite wieder mit mehr Neuschnee zu rechnen. Die Höhenströmung dreht von West auf Nordwest und wird dabei feuchter. Es stellt sich also klassisches Nordstauwetter ein. Leider aber auch wieder von stürmischem Wind begleitet. Der frisch entstehende Triebschnee wird auf dem dünnen, weichen, über der Harschkruste liegenden Triebpulver abgelagert, die Verbindung daher möglicherweise schlecht.

Bis kommenden Donnerstag ist entlang der Nordalpen mit über 30 cm Neuschnee zu rechnen. Quelle: ZAMG
 
 

Triebschneeproblem in den Hochlagen - ein Beispiel

Das Triebschneeproblem begleitet uns schon länger in dieser Saison und auch heute wird mit dem Sturm bzw. den orkanartigen Böen viel Verfrachtung stattfinden. Das bewirkt, dass auf einem quasi abgewehtem Plateau - auf dem man als Skitourengeher eher von einem Schneefleckchen zum nächsten „tänzelt“ um seine Ski nicht allzu sehr in Mitleidenschaft zu ziehen - trotzdem Gefahrenstellen durch Triebschnee zu finden sind. Mulden und Rinnen in den Hochlagen können teils massiv mit Triebschnee gefüllt sein und sich schließlich durch die Zusatzbelastung eines Skitourengehers oder auch spontan als Schneebrett entladen.

Das spontane Schneebrett auf der Heukuppe, abgegangen am 12.2., Foto aufgenommen am 17.2. Quelle: Franz Eggerl

Ein solches Ereignis ist am Samstag, 12.2., am Weg vom Karl-Ludwig-Haus zur Heukuppe ohne Fremdeinwirkung passiert. Der Anriss in diesem Fall war außergewöhnlich hoch. Zum Glück war keine Person unter den Schneemassen, denn solche Rinnen und Mulden können auch gefährliche Geländefallen sein.