Schneereiche Phase im Nordstau

In den vergangenen drei Wochen gab es in den Nordstau-Bereichen der Steiermark beträchtlichen Neuschneezuwachs. Mithilfe von Modellrechnungen kann man heutzutage aus Schneehöhenmessungen (die immer auch die Setzung der Schneedecke mitmessen und deswegen geringere Werte als die tatsächlichen Neuschneesummen zeigen) gut auf die gesamte Neuschneesumme in einer Periode  schließen.  Ein Beispiel ist unsere Messstation Loser auf 1573 m Seehöhe. 

Die Abbildung oben zeigt die gemessene Schneehöhe, die Abbildung unten die Neuschneesumme. Quelle: ZAMG.

Während von 17.1. bis 11.2. die Schneehöhe von 130 cm auf 320 cm, also um knapp 2 m, angestiegen ist, beträgt die gesamte tägliche Neuschneesumme in diesem Zeitraum etwa 5,5 m - also mehr als doppelt so viel. 

Gleichzeitig war es außerordentlich stürmisch, bei wechselnden Temperaturbedingungen.

 

Temperatur und Wind am Loser. Quelle: LWD Stmk.

Das führte zu einer angespannten Lawinensituation, die allerdings im Nachhinein betrachtet in der Steiermark zu unerwartet wenigen Lawinenunfällen führte (ganz anders als etwa im Westen Österreichs). Nur zu Beginn der Phase kam es zu einer Häufung von Unfällen aufgrund einer Kombination aus Trieb- und Altschneeproblem. Hier eine kurze Zusammenfassung der registrierten Lawinen in der Steiermark. Nähere Informationen sind im LAWIS System zu finden:

  • 23.1.: Ein/e Skifahrer/in wird abseits des gesicherten Skiraums (Exposition NO) bei der Abfahrt von einer selbst ausgelösten Schneebrettlawine mitgerissen, teilverschüttet und verletzt.
  • 23.1.: Zwei Skifahrer/innen lösen bei der Abfahrt am Hüttenhang am Graskogel (Exposition O) eine Schneebrettlawine aus, eine Person wird teilverschüttet, bleibt aber unverletzt.
  • 23.1.: Eine Schneebrettlawine am kleinen Königskogel (Exposition O) löste einen größeren Sucheinsatz aus, es wurden aber keine Person verschüttet oder verletzt.
  • 2.2.: Eine große, spontane Staublawine löst sich vom Grimming/Multereck. Die Ablagerung bleibt etwa 150 m vor der Bundesstraße B145 liegen, der Staubanteil erreicht allerdings die Straße und führt zu kurzzeitigen Sichtbehinderungen im Bereich der Ausfahrt der Lawinengalerie.
  • 8.2.: Eine große Schneebrettlawine geht im Nahbereich des Skigebiets Riesneralm (es bestand keine Gefährdung des gesicherten Skiraumes) ab (Exposition O) und führt zu einem großen Sucheinsatz. Es wurde aber keine Person verschüttet. Der Auslösemechanismus der Lawine ist nicht vollkommen geklärt. 
  • 8.2.: Ein/e Alpinist/in löst auf der Rax nahe dem Karlgraben im extrem steilem Gelände ein mittelgroßes Schneebrett aus (Exposition SO), wird mitgerissen und total verschüttet. Die Person kann sich aber selbst befreien und bleibt unverletzt.

Zusammenfassend muss man sagen, dass in dieser neuschneereichen Situation in der Steiermark bemerkenswert wenig Lawinenunfälle passiert sind und, dass durch viel Glück "nur" eine Person verletzt wurde. 

Wochenrückblick und Wochenvorschau: 21.01. - 03.02.2022

Seit 20.01. werden wir von Wetterlagen begleitet, die in den steirischen Nordalpen und abgeschwächt auch in den Niederen Tauern immer wieder für Neuschnee in Verbindung mit meist stürmischem Wind sorgen. Schuld daran war und ist ein recht orstsfestes Hoch über dem Atlantik, um das herum feuchtkalte Luftmassen gegen die Ostalpen geführt werden. Die Frontalzone griff dabei eher am Alpenostrand an, der Schwerpunkt der Niederschläge wie auch der Zone mit den hohen Windgeschwindigkeiten reichte von Salzburg über die Steiermark bis nach Niederösterreich.

Nachdem in der Nacht zum Freitag, 21.01. in den genannten Regionen bei stürmischem Nordwestwind reichlich Neuschnee fiel, wurde für die darauffolgenden Tage erstmals die zweithöchste Lawinengefahrenstufe ausgegeben. Wie so oft in der Vergangenheit, fiel die ungünstige Lawinensituation mit einem Wochenende zusammen, entsprechend groß war die Frequenz der Wintersportler in den Tourengebieten, zumal es sich um die ersten größeren Schneemengen dieses Winters handelte. Am Sonntag kam es dann zu einigen Unfällen, in den Ybbstaler Alpen auch zu einem Lawinenunglück mit tödlichem Ausgang. Der Sturm sorgte außerdem für tückische Verhältnisse, indem reichlich Triebschnee bis in tiefe Lagen verfrachtet wurden und dieser Triebschnee, der oft auf einer Reifschicht lagerte, sehr störanfällig und daher leicht auslösbar war.

In den Hochlagen kam es zu teils massiven Einwehungen mit einigen Selbstauslösungen. Zwar war die Verbindung mit dem Harschdeckel meist gut, allerdings konnte dieser aufgrund der großen Schneelast auch an den darunterliegenden, aufbauend kantigen Formen auch brechen so wie das im nachfolgenden Bild vom Bergführer Heli Steinmaßl vermutlich der Fall gewesen ist.

 

Gewaltiger Anriss einer Spontanlawine am Kleinen Pyhrgas im Eiskar zu Wochenbeginn 24.01. : Quelle: Bergrettung OÖ, Heli Steinmaßl

 

Ideale Bedingungen für die Triebschneebildung: Ergiebige Neuschneefälle, bei Windspitzen bis 60km/h an der Station Loser. Aber Achtung bei der Interpretation: manche Stationen haben so ihre Eigenheiten! Vor allem jene am Rande des Toten Gebirges, die bei Nordanströmung durch den vorgelagerten Gebirgskörper Strömungsablenkungen aufweisen. Quelle: LAWIS
 

Ungemütliche Bedingungen Richtung Lahngangkogel. Foto: LWD intern bekannt

 

Im Grunde genommen änderte sich in der darauffolgenden Woche nur insofern etwas, als die Nordstaueffekte eher dem östlichen Teil der Nordalpen erhalten blieben, also den Regionen vom Hochschwab über Ötscher und Rax bis zum Schneeberg. Anders als im Nordwesten blieb es hier meist kalt und recht stürmisch.

 

Die labile Luftmasse der stürmischen Nordwestströmung hatte neben dem Neuschnee öfters auch kräftige Graupelschauer im Gepäck. Foto: Stephan Binder

Etwas mehr Schnee folgte am 28.01. mit bis zu 30 cm Neuschnee, wobei der Schwerpunkt der Niederschläge im Hochschwabgebiet lag. Im Zuge der schneebringenden Kaltfront erreichte der Sturm auf der Eismauer knapp 180 km/h. Wiederum stürmte es auch am Wochenende 29./30.01., so etwa mit 181km/h am Großen Buchstein am 30.01., allerdings blieben größere Niederschläge aus. Der Orkan erodierte dabei oft die obersten Schneeschichten und legte den Altschnee. Vielerorts entstand auch harter Pressschnee. Unfälle blieben an diesem Wochenende aus, was wohl auch der äußerst unwirtlichen Witterung geschuldet war.

 

Radar-Composite vom 30.01. mit dem streifigen Niederschlagssignal einer äußerst stürmischen Wetterphase. Quelle: ZAMG

Nach einer Kaltfront am Montag mit etwas Neuschnee und stürmischem Wind erreicht in der Nacht auf Dienstag ein Höhentrog die Ostalpen. An seiner Rückseite stellt sich eine stürmische Nordwestströmung mit sehr feuchten Luftmassen ein, die in den Nordstaugebieten reichlich Neuschnee bringen werden. Die Lawinengefahr steigt dabei markant an.

 

Der Schwerpunkt der Niederschläge liegt diesmal mehr im Westen. Laut ECMWF-Prognose könnten bis kommenden Donnerstag Neuschneesummen von 1,5 Meter zusammenkommen!

Neue Lawinenstationen in den Ennstaler Alpen

Vor kurzem wurden in den Ennstaler Alpen zwei neue Lawinenstationen errichtet. Die erste befindet sich am Gamssteinsattel, die zweite im Bereich Haindlmauer-Vordergoferalm. Beide Stationen dienen der Lawinenkommission Gesäuse der Einschätzung der Schneehöhen und der Triebschneesituation. Die Daten werden in Kürze in LAWIS eingepflegt.

Das automatische Lawinenstationsnetz ist somit in den Ennstaler Alpen schon relativ dicht geworden. Neben den tiefergelegenen Stationen Oberkainz, Schröckalm, Kölblwirt und Gstatterboden existieren auch schon seit längerer Zeit hochgelegene Stationen am Gscheideggkogel, Blaseneck, Hochzinnödl und Tamischbachturm.

Neue Wetterstation im Bereich Gamssteinsattel/Birgl, Foto: LK Gesäuse, Sebastian Krenn
Neue Wetterstation Haindlmauer-Vordergoferalm, Foto: LK Gesäuse, Sebastian Krenn

BOKU-Exkursion am Präbichl

Am 26 & 27.1 unterstützten wir die Exkursion des BOKU Masterstudiums Alpine Naturgefahren/Wildbach am Präbichl, unter Leitung von Dr. Ingrid Reiweger. Ziel der Exkursion war es, den angehenden Expertinnen und Experten im Bereich Alpine Naturgefahren einen Einblick in Schneedeckenuntersuchungen und alpine Schutzmaßnahmen in Bezug auf Lawinengefahr zu geben. Der erste Tag stand ganz im Zeichen der Schneedecke. Die lokalen Experten der Lawinenkommission Vordernberg, vertreten durch Ernst Puchner, gaben uns einen Einblick in ihre Erfahrungen und die vorhandenen Sicherungsmaßnahmen im Skigebiet Präbichl.

Obmann der Lawinenkommission Vordernberg, Ernst Puchner, berichtet über seine Erfahrungen und lokale Sicherungsmaßnahmen. Quelle: LWD Stmk.
Ein Lawinenanbruch als Zeichen des Sprengerfolges während dem Schneeefallreignis mit Sturm am vergangenen Wochenende. Quelle: LWD Stmk.
Ernst Puchner präsentiert den Studierenden die Sprengseilbahn. Quelle: LWD Stmk.

Im Anschluss wurden die Studierenden in Kleingruppen aufgeteilt, um selber in die Schneedecke zu graben und die Stabilität der Schneedecke zu beurteilen. Unterstützt wurden sie dabei vom Ausbildungsteam bestehend aus Ingrid Reiweger und Barbara Hinterstoisser, beide Professorinnen der BOKU; Siegfried Sauermoser, ehem. Leiter der Sektion Tirol der WLV; Christoph Hesselbach, Mitarbeiter des Ingenieurbüros ALPINFRA und Tutor zum Kurs; Philipp Wagner, Tutor zum Kurs sowie Andreas Gobiet und Veronika Hatvan, Mitarbeiter des Lawinenwarndiensts Steiermark.

Es wurde ein Schneeprofil gegraben sowie ECT und CT Stabilitätstests durchgeführt. 
ECT Stabilitätstest - das Ergebnis ECT31, kein Bruch. Quelle: LWD Stmk.

Die Ergebnisse der Schneedeckuntersuchungen sind auch in LAWIS zu finden.

Später am Nachmittag ging es noch weiter mit LVS-Training und Verschüttetensuche sowie einer Demonstration ein Rettung einer verschütteten Person durch einen ausgebildeten Lawinenhund.

Tag 2 wurde genutzt um sich dem Thema Gefahrenzonenplanung und Alpine Schutzkonzepte näher zu widmen. Siegfried Sauermoser berichtete über die Erstellung und Bedeutung von Gefahrenzonenplänen im Allgemeinen. Matthias Granig, Leiter der Fachabteilung Lawinen der WLV, führte durch den Ort und präsentiere verschiedene Schutzmaßnahmen sowie den aktuellen Gefahrenzonenplan. Das neue Schutzkonzept eines lokalen Gefährdungsbereichs wurde von Christoph Hesselbach präsentiert und Veronika Hatvan sprach über die Entwicklung und Nutzug von Modellenketten und Simulationen zur lokalen Lawinenwarnung. Zu guter Letzt konnte auch das Thema "Klimawandel und Lawinen" noch näher von Andreas Gobiet beleuchtet werden. Ein dichtest und spannendes Program. Wir bedanken uns sehr bei den Organisatoren für die Einladung zur Unterstützung und Kooperation sowie für die großartige Umsetzung des Kursprograms.

Siegfried Sauermoser und Matthias Granig berichten über Gefahrenzonenplanung. Quelle: LWD Stmk.

Kritische Lawinensituation am Wochenende 22./23.01.2022

Das Wochenende vom 22. auf den 23.01. wurde von der ersten kritischen Lawinensituation dieses Winters begleitet. Ordentlich Neuschnee vor allem in den Nordstaugebieten, dazu permanent stürmisch. Nach einem Zwischenhoch am vergangenen Mittwoch mit Reifbildung am Altschneeharschdeckel gab es von Donnerstag auf Freitag eine erste Packung recht kalten Schnee. Vor allem am Samstag schneite und stürmte es dann intensiv und auch der Schnee wurde schwerer. In tieferen Lagen mischte sich zwischenzeitlich auch Regen dazu. Am Sonntag dann die (recht zögerliche) Wetterbesserung und jede Menge Leute unterwegs. Der erste richtige Pulvertraum dieses Winters eben. Für einige aber auch ein Triebschnee-Alptraum mit teils schweren Unfällen, davon ein tödlicher im Bereich des Ötschers: https://www.lawinenwarndienst-niederoesterreich.at/aktuelles/aktuelle-ereignisse/

23.01.2022: Lawinenunfall Hauser Kaibling

Eine Gruppe wollte gegen 11:15 Uhr an einem Nordost-Hang am Hauser Kaibling im freien Gelände abfahren. Eine Person fuhr zur Begutachtung in den Hang ein und löste dabei ein Schneebrett aus. Dem Mann gelang es rechtzeitig, den Lawinen-Airbag auszulösen. Er wurde nur teilweise verschüttet, konnte sich auch noch selbst befreien, wurde bei dem Unfall aber schwer verletzt. Alle anderen Mitglieder der Gruppe, die gut ausgerüstet waren, blieben unverletzt.

Anriss im Steilgelände. Quelle: LWD

 

23.01.2022: Lawinenunfall Graskogel (Eisenerzer Alpen-Gößgraben)

Um ca. 12:00 Uhr fuhren zwei Schifahrer in den ostexponierten Graskogel-Hang, direkt unter der Graskogelhütte ein, wobei der zuerst Einfahrende ein Schneebrett auslöste, bei dem der ganze Hang abging. Die Person wurde bis zum Lawinenauslauf etwa 500m mitgerissen, ohne von der Lawine verschüttet zu werden. Sie konnte sich mit Hilfe des Kameraden befreien und kam unverletzt, aber mit dem Schrecken davon. Die Anrissbreite betrug etwa 250m, die Anrisshöhe 0,5m.

Der ostexponierte, sehr steile "Hüttenhang". Quelle: LWD

 

23.01.2022: Meldung eines Lawinenunfalles im Bereich Kl. Königskogel (Mürzsteger Alpen)

Vor Ort befindliche Skitourengeher setzten gegen 13:00 Uhr einen Alpinnotruf ab, da sie bei einem Lawinenabgang am Osthang des Kleinen Königskogels verschüttete Personen vermuteten und begannen sofort mit der Suche, die bis zum Eintreffen der alpinen Einsatzkräfte andauerte. Zum Zeitpunkt der Alarmierung war nicht klar, ob Personen von der Lawine verschüttet worden waren. Damit begann eine großangelegte Suchaktion. Im Einsatz befanden sich insgesamt 45 Einsatzkräfte, die ÖAMTC-Notarzthubschrauber Christophorus 12 und 17, der Polizeihubschrauber Libelle Steiermark, die Bergrettung Neuberg an der Mürz, die Bergrettung Mürzzuschlag, die Bergrettung Kindberg, die Bergrettung Veitsch, die Bergrettung Mariazell, davon drei Hundeführer von der Lawinen- und Suchhundestaffel der Bergrettung Steiermark sowie die Alpinpolizei Hochsteiermark. Letztlich wurde niemand gefunden.

Anriss. Quelle: BRD Neuberg